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II. Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegsentwicklung

In der sowjetischen Note heißt es, die Westalliierten hätten im zweiten Weltkrieg eine „gemeinsame, allseitig abgestimmte Politik“ gegenüber Deutschland betrieben. Sie führt aus, nach dem Kriege wäre eine friedliche Koexistenz möglich gewesen, falls man diese Politik in der von Präsident Roosevelt begonnenen Form weitergeführt hätte. Statt dessen wurde, der sowjetischen Note zufolge, die Atmosphäre durch Winston Churchill und andere Politiker vergiftet, die einen gegen die UdSSR gerichteten aggressiven Kurs steuerten. Die Note besagt:

Das ist die Misere, in die die einstmals gemeinsame, allseitig abgestimmte Deutschlandpolitik der vier Mächte -~ der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs — 13 Jahre nach dem Kriege geraten ist.

Die Politik der Westmächte wurde jedoch in zunehmendem Maße durch Kräfte beeinflußt, die von dem Haß gegen sozialistische und kommunistische Ideen besessen waren, aber ihre feindseligen Absichten gegen die Sowjetunion während des Krieges verheimlicht hatten. Die Folge war, daß der Westen einen Kurs der äußersten Verschärfung des ideologischen Kampfes einschlug, allen voran aggressive Führer und Gegner einer friedlichen Koexistenz zwischen den Staaten. Das Signal hierzu wurde den Vereinigten Staaten und anderen Ländern des Westens durch W. Churchill in seiner berüchtigten Fulton-Rede im März 1946 gegeben.

Die Sowjetregierung bedauert es sehr, daß die Ereignisse einen solchen Verlauf nahmen, da dies der Sache des Friedens schadet und dem natürlichen Wunsch der Völker nach friedlicher Koexistenz und freundschaftlicher Zusammenarbeit zuwiderläuft. Denn es gab eine Zeit, da die führenden Politiker der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, insbesondere der hervorragende amerikanische Staatsmann Franklin D. Roosevelt, im Einklang mit den Gefühlen der Volksmassen die Notwendigkeit der Schaffung eines Systems wechselseitiger Beziehungen zwischen den Staaten proklamierten, das so beschaffen sein sollte, daß die Staaten sich sicher fühlen und die Menschen allenthalben ein Leben ohne Furcht führen könnten.

Dies sind die Tatsachen:

1. In Vereinbarungen, die während des Krieges getroffen wurden, legten die Alliierten zwei Hauptziele ihrer Politik fest: sie gelobten, den Gegner niederzuringen, und sie erklärten, daß sie unter Beibehaltung der im Krieg geübten Zusammenarbeit nachdrücklich auf eine Beseitigung der Kriegsschäden hinarbeiten würden.

2. Die Niederringung des Gegners erforderte große Opfer.

3. Statt den Vereinbarungen aus der Kriegszeit nachzukommen, ging die UdSSR daran, ihre eigenen Pläne für die Ausbreitung des Kommunismus in Osteuropa zu verwirklichen, und sie unterband oder verzögerte nach Möglichkeit alle Maßnahmen der Westmächte, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Deutschland und im übrigen Europa beschleunigen sollten.

4. Diese Handlungsweise der Sowjets, die ihre Versprechungen Lügen strafte, zerstörte das zunächst vorhandene Wohlwollen gegenüber der UdSSR und überzeugte die Regierungen der Westmächte von der Notwendigkeit, dem sowjetischen Expansionsdrang entgegenzutreten.

5. Stalin erklärte dem Westen 1946 den „kalten Krieg“, als er versicherte, das Kriegsbündnis mit dem Westen sei nur eine Notlösung gewesen. Er sagte voraus, daß es zu Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten kommen werde und erklärte, die Kommunisten würden ihre Herrschaft über weitere Völker ausdehnen.

Während des Krieges war die Politik der alliierten Staaten gegenüber Deutschland darauf zugeschnitten, den Krieg erfolgreich zu Ende zu führen, den Frieden herzustellen und alsdann den Wiederaufbau einzuleiten.

1. Die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 besagt: Die unterzeichneten Regierungen,

die sich einem gemeinsamen Programm von Zielsetzungen und Grundsätzen verschrieben haben, das in der Gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und des Premierministers des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland vom 14. August 1941, als Atlantik-Charta bekannt, enthalten ist; und

die überzeugt sind, daß der vollständige Sieg über ihre Feinde zur Verteidigung von Leben, Freiheit, Unabhängigkeit und Religionsfreiheit und zur Wahrung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit in ihren eigenen Ländern ebenso wie in anderen Ländern unerläßlich ist und daß sie

gegenwärtig im gemeinsamen Kampf gegen unerbittliche und brutale Mächte stehen, die die Welt zu unterjochen trachten,

erkären:

1. daß jede Regierung sich verpflichtet, ihre sämtlichen militärischen und wirtschaftlichen Mittel gegen jene Mitglieder des Dreimächtepaktes und deren Anhang einzusetzen, mit denen sich diese Regierung im Kriegszustand befindet;

2. daß jede Regierung sich verpflichtet, mit den hier unterfertigten Regierungen zusammenzuarbeiten und keinen getrennten Waffenstillstand oder Frieden mit den Gegnern zu schließen.

Der vorstehenden Erklärung können sich andere Staaten anschließen, dies gegenwärtig oder später konkrete Beihilfe oder Beiträge zum Kampf für den Sieg über den Hitlerismus leisten.

2. Das im Anschluß an die Moskauer Außenministerkonferenz veröffentlichte anglo-sowjetisch-amerikanische Kommuniqué vom 1. November 1943 führt aus:

Die übereinstimmende Auffassung der drei Regierungen, daß es in ihrem eigenen nationalen Interesse und im Interesse sämtlicher friedliebender Staaten liege, die derzeitige enge Zusammenarbeit und das Zusammengehen in der Führung des Krieges in der Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten fortzusetzen, und daß nur auf diese Weise der Frieden aufrechterhalten und das Wohl ihrer Völker im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich am besten gefördert werden könne, rangierte in ihrer Bedeutung unmittelbar hinter der beschleunigten Beendigung des Krieges.

3. Das Abkommen über die Schaffung der Hufs- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA), das am 9. November 1943 unterzeichnet wurde, besagt in Artikel 1, Absatz 2:

Unter Berücksichtigung von Artikel VII hat die Verwaltung folgende Zielsetzungen und Funktionen:

a) Hilfsmaßnahmen für Opfer des Krieges, wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Bekleidung, Wohnraum und anderen lebensnotwendigen Dinge sowie die ärztliche Betreuung und die Bereitstellung anderer notwendiger Dienste in sämtlichen Gebieten, die der Kontrolle irgendeiner der Vereinten Nationen unterstehen, zu planen, zu koordinieren, durchzuführen oder ihre Durchführung zu veranlassen; die Produktion und den Transport von hierfür erforderlichen Gütern und die Bereitstellung derartiger Dienste in diesen Gebieten in dem Umfange zu ermöglichen, der für eine angemessene Hilfeleistung erforderlich ist. Die Art der Tätigkeit der Verwaltung innerhalb des Territoriums eines Mitgliedstaates, in dem dessen Regierung die Regierungsgewalt ausübt, und die Verantwortung der Mitgliedregierung für die Durchführung der von der Verwaltung in diesem Gebiet geplanten Maßnahmen wird nach Konsultation der Mitgliedregierung und mit deren Zustimmung geregelt.

4. Auf der Krim- (oder Jalta-) Konferenz zwischen Großbritannien, der UdSSR und den Vereinigten Staaten vom 4. bis 11. Februar 1945 wurde in der „Erklärung über das befreite Europa“ in zuversichtlichen Worten erklärt:

Zur Schaffung von Bedingungen, unter denen die befreiten Völker diese Rechte ausüben können, werden die drei Regierungen, wo immer es die Umstände ihrer Ansicht nach erfordern, die Völker der befreiten europäischen Staaten oder der früheren europäischen Vasallenstaaten der Achse gemeinsam in folgendem unterstützen:

a) bei der Wiederherstellung von Friedensverhältnissen;

b) bei der Durchführung von Notmaßnahmen zwecks Unterstützung Hilfsbedürftiger;

c) bei der Schaffung vorläufiger Regierungsgewalten, die eine umfassende Vertretung aller demokratischen Elemente der Bevölkerung darstellen und die zur baldestmöglichen Errichtung von dem Volkswillen entsprechenden Regierungen auf dem Wege freier Wahlen verpflichtet sind; und

d) nötigenfalls bei der Durchführung solcher Wahlen.

Diese Vereinbarungen zeigen, daß sich die Kriegsverbündeten einschließlich der UdSSR auf grundlegende Richtlinien festgelegt hatten, die ihr Verhalten nach dem Kriege bestimmen sollten, nämlich auf die Schaffung einer gerechten und stabilen Weltordnung, die Unterstützung von Hilfsbedürftigen und den Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Gebiete.

Die Sowjetunion weigerte sich jedoch, spezifischen Vorschlägen zur Durchführung der Vereinbarungen nachzukommen, und ging dazu über, im gesamten sowjetisch besetzten Osteuropa ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Statt beispielsweise mit den westlichen Verbündeten im Alliierten Kontrollrat (der höchsten alliierten Körperschaft in Deutschland) in dem Bemühen zusammenzuarbeiten, den zur Gewährleistung des Fortbestandes und der künftigen Wiedergenesung des deutschen Volkes erforderlichen wirtschaftlichen Mindeststandard sicherzustellen, verzögerte und umging die UdSSR Entscheidungen und verließ schließlich im März 1948 den Alliierten Kontrollrat gänzlich.

Auf den Außenministerkonferenzen nach dem Krieg legte die Sowjetunion den Hauptakzent auf Verfahrensfragen wie die Reihenfolge der Punkte der Tagesordnung und blockierte die Vorschläge des Westens, während gleichzeitig in Moskau ausgebildete Kommunisten mit der sowjetischen Armee im Rücken in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Albanien, in der Tschechoslowakei, in Polen und Ostdeutschland die Macht an sich rissen. Im Jahre 1947 weigerte sich die Sowjetunion in Moskau, elementare Informationen über ihre Besatzungszone in Deutschland bekanntzugeben, was den später als richtig erwiesenen Verdacht aufkommen ließ, daß aus großen Gebieten praktisch alles, was nicht niet- und nagelfest war, nach der UdSSR geschafft wurde. Diese Tatsachen erleichtern das Verständnis für die mangelnde Bereitwilligkeit der Sowjetbehörden, an der Schaffung einer ausgewogenen Wirtschaft in Deutschland, auf die man sich in Potsdam geeinigt hatte, mitzuwirken. Dies war ein äußerst ernster Rückschlag für den Aufbau in Europa und die Entwicklung einer wenn auch auf ein Mindestmaß beschränkten selbstgenügsamen Wirtschaft in Deutschland.

Das Schicksal der osteuropäischen Länder, die unter dem Druck der auf ihrem Gebiet oder in ihrer Nachbarschaft stationierten sowjetischen Streitkräfte zu Satellitenstaaten wurden, zeigt die Diskrepanz zwischen den Zusagen der Sowjetunion von Jalta und ihren späteren Handlungen.

Die Vereinigten Staaten konnten nicht umhin, dieses sowjetische Verhalten trotz aller gegenteiligen Versprechungen und Erklärungen als Zeichen der tatsächlichen Politik der UdSSR zu deuten. Die sowjetische Mißachtung feierlicher Abkommen und anerkannter Grundsätze erstickte das Wohlwollen, das das amerikanische Volk für die UdSSR empfunden hatte, und überzeugte sämtliche Regierungen im Westen von der Notwendigkeit, Verteidigungsvorkehrungen gegen die Bedrohung durch weitere sowjetische Expansionsversuche zu treffen.

Stalin erklärte in seiner Moskauer Rede vom 9. Februar 1946 den „kalten Krieg“ und legte die kommunistische Nachkriegslinie fest. In dieser Rede machte Stalin vor aller Welt klar, daß das im Kriege eingegangene Bündnis mit den Westmächten eine Notlösung gewesen und nicht als Hinweis darauf zu werten sei, daß die Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und ihren einstigen Verbündeten fortbestünde oder fortgesetzt werde.

Er rief seinen Zuhörern ins Gedächtnis, daß nach der kommunistischen Doktrin Kriege so lange unvermeidbar seien, bis die kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern die Macht errungen hätten, und er umriß die wirtschaftlichen Pläne, nach denen die Sowjetunion die Voraussetzungen für die Führung des „unvermeidbaren“ künftigen Krieges schaffen müsse.

Er brüstete sich mit der Macht des Sowjetstaates und seinen Leistungen während des Krieges und setzte die Welt davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion nicht auf den Lorbeeren des zweiten Weltkrieges auszuruhen gedenke. Seine Forderung nach Anerkennung der These, daß „die sowjetische Sozialordnung als Organisations- und Gesellschaftsform jeder nichtsowjetischen Sozialordnung überlegen ist“, verhallte bei den nichtsowjetischen Völkern außerhalb des sowjetischen Machtbereichs nicht ungehört. Sie erblickten darin vielmehr die Erneuerung des kommunistischen Aufrufs an alle Mitglieder der kommunistischen Parteien zum letzten Einsatz für das Ziel, die Herrschaft über alle Völker der Erde zu erringen.