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Schließlich sucht eine Minderheitsmeinung - sie ist aber im Vordringen begriffen - die Regeln des internationalen Strafrechts als interlokales Strafrecht anzuwenden ( so Dreher, Welzel, Lackner, Hermann, Metzger-Blei). Dann richtet sich die Rechtsanwendung nach § 4 Strafgesetzbuch. Diese Auffassung erkennt zurecht, daß das interlokale Strafrecht seinem Wesen nach eine Grundübereinstimmung der Rechtsordnungen voraussetzt, wie sie früher etwa in Preußen und Bayern, in Braunschweig und Hessen geherrscht hat, als man diese Grundsätze entwickelte. Solche rechtliche Grundkonzeption fehlt und sie geht zwischen Ost und West ständig mehr verloren. Deswegen sollten die internationalen Regeln auch für das internationale Strafrecht gelten. Diese Auffassung will die objektive Allgemeinsituation der dem Zwangsregime Unterworfenen auf der Ebene der Rechtswidrigkeit berücksichtigen, weil man einfach nicht verlangen könne, sich ständig mit der sie faktisch beherrschenden Rechtsordnung im Widerspruch zu setzen (Döring Seite 272).

Die entsprechende Anwendung von § 4 Absatz 2 StGB auf Handlungen der Grenzsoldaten bedeutet:

sie können in der Bundesrepublik nur bestraft werden, wenn Strafbarkeit in beiden Rechtskreisen gegeben ist. Da in unserem Recht die Erlaubnisnormen des § 8 Passgesetz fehlt, wäre hier Strafbarkeit vorhanden, in der SBZ jedoch nicht, weil sie die Erlaubnisnormen kennt. Der ordre public müßte, wenn man von den Grundsätzen des internationalen Strafrechts ausgeht, außer Betracht bleiben, sonst würde man gerade das, was nach Tatortrecht straflos bleiben soll, für strafbar erklären. Selbst wenn man an die Selbstbindung denkt, die sich die DDR durch ihre eigene Verfassung auferlegt hat, wird man zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Die Verfassungsmäßigkeit des Paßgesetzes kann von unseren Gerichten nicht geprüft werden, weil die DDR keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt. In Wahrheit entspricht der Wortlaut des § 8 Paßgesetz durchaus dem in Artikel 49 der DDR-Verfassung garantierten Freizügigkeitsbegriff, denn dort steht nichts von einem generellen Ausreiseverbot. Wie Kabel in seiner Hamburger Dissertation 1967 eindrucksvoll dargelegt hat, hat sich das Paßgesetz in keiner Weise gebunden, lediglich die Anwendung des Verbots durch die Verwaltung führt zu der generalisierenden Wirkung. Schließlich steht auch die DDR-Verfassung unter dem Vorbehalt der sozialistischen Entwicklung, sie dient dem Ziel, die sozialistische Persönlichkeit des Bürgers zu entfalten, aber nur des sozialistischen, nicht des republikflüchtigen.