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Sie kennen das Strafrechtergänzungsgesetz mit seinen Unternehmenstatbeständen, Ihnen brauche ich kaum zu sagen, mit welcher Schärfe die Richter der Zone diese Gesetze anwenden. Und das alles soll rechtens sein.

Sie haben mein Thema mit bedacht begrenzt - es geht heute nur um den Schießbefehl an der Mauer. Ulbricht erklärte noch am 27.4.1966 vor dem 12. Plenum des ZK der SED:

„Dieser sagenhafte Schießbefehl existiert bekanntlich nicht.”

Und der Minister für Nationale Verteidigung der DDR ergänzte Ulbricht, man habe die gleiche Ordnung an der Grenze wie jeder andere Staat. Um zu verhindern, dass unsere Bürger ökonomisch ausgegliedert und ideologisch zersetzt werden, steht die Grenzsicherung. Dem dienen allein die Schußwaffenbestimmungen und die Standortdienstvorschriften.

In der Tat gibt es formell kein ausdrücklich als Schießbefehl deklariertes Dokument. - Es gibt „nur” Schußwaffengebrauchsbestimmungen für die Wachen, Posten und Streifen der NVA - die DV 10/4.

> Unter Ziffer 314 dieser Dienstvorschrift heißt es wörtlich:

„Von der Schusswaffe darf nur Gebrauch gemacht werden

a) auf Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung bei Einsätzen zum Schutz der Deutschen Demokratischen Republik; b) Auf Befehl des Kommandeurs, des Wachhabenden oder des Streifenführers bei Angriffen auf Einheiten, Wachen oder Streifen, wenn die Anwendung der Schußwaffe zur Selbstverteidigung sowie andere Mittel nicht mehr ausreichen, bzw. zur Brechung bewaffneten Widerstandes notwendig ist;

c) im Gefecht auf eigenen Entschluss des Vorgesetzten, um offenen Ungehorsam oder Widerstand eines unterstellten zur Wiederherstellung der militärischen Ordnung und Disziplin zu brechen;

d) auf eigenen Entschluss durch Wachen, Posten oder Streifen sowie andere zeitweilige oder ständige Waffenträger, wenn andere Mittel nicht oder nicht mehr ausreichen, um Handlungen, die eindeutig auf Verrat gegenüber der Arbeiter- und Bauernmacht gerichtet sind, zu unterbinden, einem unmittelbar drohenden oder gegenwärtigen Angriff auf Anlagen der bewaffneten Organe und andere staatliche, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Einrichtungen auf sich selbst oder andere Personen erfolgreich zu verhindern bzw. abzuwenden (entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über Notwehr und Notstand).”
Einschränkend bestimmt Ziffer 317

„Gegenüber einem Flüchtigen, der vorläufig festgenommen wurde oder festzunehmen ist, darf erst dann von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden, nachdem einmal laut und verständig - ‘halt stehenbleiben, oder ich schieße’ - gerufen wurde. Bleibt der Flüchtling darauf nicht stehen, ist ein Warnschuß in die Luft abzugeben, ohne dadurch Personen zu gefährden. Setzt der Betreffende die Flucht fort, sind gezielte Schüsse zur Behinderung der Bewegungsfreiheit des Flüchtigen abzugeben.”
Unter bestimmten Voraussetzungen erlauben aber die Dienstvorschriften auch den Schußwaffengebrauch ohne Warnruf und Warnschuß, wenn - wie Nr. 318 sagt -
„... eine unmittelbare Gefahr für das Leben anderer Personen, das eigene Leben oder für den Bestand von Anlagen der bewaffneten Organe sowie anderer staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftliche Einrichtungen eingetreten würde und die Gefahr mit anderen Mitteln nicht abgewendet werden kann.”