Besetzung und Kontrolle Deutschlands
Wir sind über die gemeinsame Politik und Planung zur Durchführung der Bestimmungen der bedingungslosen Kapitulation übereingekommen, die wir gemeinsam dem nationalsozialistischen Deutschland auferlegen werden, nachdem der bewaffnete deutsche Widerstand endgültig gebrochen ist. Diese Bestimmungen werden erst bekanntgegeben werden, wenn die endgültige Niederwerfung Deutschlands vollzogen ist. Gemäß dem in gegenseitigem Einvernehmen festgelegten Plan werden die Streitkräfte der drei Mächte je eine besondere Zone Deutschlands besetzen. Der Plan sieht eine koordinierte Verwaltung und Kontrolle durch eine Zentralkontrollkommission mit Sitz in Berlin vor, die aus den Oberbefehlshabern der drei Mächte besteht. Es ist beschlossen worden, daß Frankreich von den drei Mächten aufgefordert werden soll, eine Besatzungszone zu übernehmen und als viertes Mitglied an der Kontrollkommission teilzunehmen, falls es dies wünschen sollte. Die Grenzen der französischen Zone werden von den vier beteiligten Regierungen durch ihre Vertreter in der Europa-Beratungskommission in gegenseitigem Einvernehmen festgelegt.
Am 26. Juli 1945 schlossen die USA, Großbritannien und die UdSSR ein Abkommen mit der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über eine Abänderung des Protokolls vom 12. September 1944, die dazu diente, Frankreich an der Besetzung Deutschlands und der Verwaltung von Groß-Berlin zu beteiligen. Der sowjetische Vertreter in der Europa-Beratungskommission gab bekannt, daß seine Regierung dieses Abkommen am 13. August 1945 gebilligt habe. Die USA billigten es am 29. Juli 1945, Großbritannien billigte es am 2. August 1945, und die französische Regierung billigte es am 7. August 1945. Das Protokoll besagt in seiner endgültigen Form:
1. Deutschland wird innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31. Dezember
1937 bestanden, für Besatzungszwecke in vier Zonen aufgeteilt, von denen eine jeder der vier Mächte zugeteilt wird, sowie in ein besonderes Berlin-Gebiet unter gemeinsamer Besatzung der vier Mächte.
Das Protokoll legt dann im einzelnen die geographischen Grenzen jeder Zone fest und die Aufgliederung des Gebietes von Groß-Berlin, das „gemeinsam von den Streitkräften der vier Mächte besetzt wird“, in vier Teile. Absatz 5 des Protokolls bestimmt:
5. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung des Gebiets von Groß-Berlin wird eine interalliierte Behörde (Kommandantura) errichtet, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht.
Man sollte sich daran erinnern, daß die einzigen Änderungen des Protokolls nach dem 6. Februar 1945, als es in Kraft trat, die Ergänzungen über die französischen Besatzungsrechte waren. Die französische Besatzungszone und der französische Sektor von Berlin wurden aus Teilen der amerikanischen und der britischen Zonen und Sektoren gebildet, so daß die Zusätze im Grunde an der Aufteilung der Befugnisse in Deutschland zwischen der UdSSR und den Westmächten nichts änderten.
Das Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten in Deutschland wurde durch die Arbeit der Europa-Beratungskommission im Zusammenhang mit dem Abkommen über das Kontrollverfahren in Deutschland weiter geklärt. Am 14. November 1944 kam es innerhalb der Kommission zu einer Vereinbarung über die Organisation des alliierten Kontrollmechanismus in Deutschland für die Zeit, in der Deutschland die grundlegenden Bestimmungen der bedingungslosen Kapitulation ausführen würde. Am 1. Mai 1945 wurde ferner vereinbart, die Provisorische Regierung der Französischen Republik in das Kontrollabkommen einzubeziehen. Dieses Abkommen sieht in der endgültigen Fassung vor:
Die oberste Gewalt in Deutschland wird auf Anweisung ihrer jeweiligen Regierungen von den Oberbefehlshabern der bewaffneten Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik ausgeübt, von jedem in seiner eigenen Besatzungszone und ferner gemeinsam in allen Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten, und zwar in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des unter dem vorliegenden Abkommen eingesetzten obersten Kontrollorgans.
Es besagt ferner in bezug auf Berlin (Artikel 7a):
Es wird eine interalliierte Behörde (Komendatura) geschaffen, die aus den vier Kommandanten besteht — einer von jeder Macht —‚ die von ihrem jeweiligen Oberbefehlshaber ernannt werden und gemeinsam die wesentlichen identisch mit dem „Abkommen über das Kontrollverfahren in Deutschland“. Verwaltung des debletes von Groß-Berlin leiten. Jeder der Kommandanten wird abwechselnd als Leiter der interalliierten Behörde den Posten des Hauptkommandanten übernehmen.
Dieses Abkommen enthielt, abweichend von dem „Protokoll über die Besatzungszonen“, eine Bestimmung über seine Dauer (Artikel 10):
Die oben beschriebenen alliierten Organe für die Kontrolle und Verwaltung Deutschlands werden während der unmittelbar auf die Kapitulation folgenden Anfangsperiode der Besetzung Deutschlands arbeiten, d. h. in der Zeit, in der Deutschland die grundlegenden Forderungen der bedingungslosen Kapitulation erfüllt.
Am 7. und 8. Mai 1945 wurde die „Militärische Kapitulationsurkunde“ unterzeichnet, in der das deutsche Oberkommando erklärte: „Wir . . . übergeben hiermit bedingungslos dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und gleichzeitig dem Oberkommando der Roten Armee alle gegenwärtig unter deutschem Befehl stehenden Streitkräfte
Zum Zeitpunkt der Kapitulation der deutschen Streitkräfte hatten die britischen und amerikanischen Streitkräfte mit Waffengewalt das gesamte deutsche Gebiet westlich der Linie Wismar—Magdeburg—Torgau—Dresden besetzt. Dieses Gebiet schloß praktisch das ganze Territorium ein, das in dem „Protokoll über die Besatzungszonen“ den Westmächten zugesprochen worden war, sowie einen sehr wesentlichen Teil des der Sowjetzone zugewiesenen Gebiets. Weiter ist von Interesse, daß die Westmächte in den Wochen vor der deutschen Kapitulation deutsche Angebote abgelehnt hatten, an der Westfront zu kapitulieren oder von ihr deutsche Streitkräfte abzuziehen, Im Osten aber gegen die sowjetischen Streitkräfte standzuhalten, um damit den Westalliierten die Besetzung ganz Deutschlands zu ermöglichen. Die Westmächte lehnten diese Vorschläge getreu ihren Abkommen mit der Sowjetunion sowie in Anbetracht der Gemeinsamkeit des Sieges über das Naziregime und der gemeinsamen Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland ab.
Am 5. Juni 1945 veröffentlichten die alliierten Vertreter in Deutschland eine „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“. Diese Erklärung sah folgendes vor:
Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und des Vereinigten Königreichs sowie die Provisorische Regierung der Französischen Republik übernehmen hiermit die oberste Regierungsgewalt in Deutschland, einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden. Die Übernahme zu den vorstehend genannten Zwecken der besagten Regierungsgewalt bewirkt nicht die Annektierung Deutschlands.
Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und des Vereinigten Königreichs sowie die Provisorische Regierung der Französischen Republik werden später die Grenzen Deutschlands oder irgendeines Teiles Deutschlands und die rechtliche Stellung Deutschlands oder irgendeines Gebietes, das gegenwärtig einen Teil deutschen Gebietes bildet, festlegen.
Am 5. Juni 1945 gaben die vier alliierten Regierungen weiter eine Erklärung über den Kontrollmechanismus für Deutschland ab. Diese Erklärung ist im
Weiter gaben die vier alliierten Regierungen am 5. Juni 1945 eine Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland heraus. In dieser Erklärung wurden die vorher innerhalb der Europa-Beratungskommission im Jahre 1944 abgesprochenen Gebiete bekanntgegeben. Artikel 2 der Erklärung bestimmt:
Das Gebiet von Groß-Berlin wird von Truppen einer jeden der vier Mächte besetzt. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung dieses Gebietes wird eine interalliierte Behörde (russisch: Komendatura) errichtet werden, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht.
Am 14. Juni 1945 richtete der Präsident der USA ein Schreiben an Marschall Stalin, in dem es hieß, die Zurücknahme der amerikanischen Truppen aus der sowjetischen Zone in die amerikanische Besatzungszone solle erfolgen in Übereinstimmung mit den Abmachungen zwischen den jeweiligen Befehlshabern, wobei diese Abmachungen die gleichzeitige Verlegung von Garnisonen der einzelnen Länder nach Groß-Berlin und die Gewährung des freien Zugangs auf dem Luft-, Straßen- und Schienenwege von Frankfurt und Bremen nach Berlin für die amerikanischen Streitkräfte einschließen.
Stalin antwortete darauf in einem Schreiben vom 18. Juni 1945:
Von unserer Seite werden in Deutschland und Österreich im Einklang mit dem oben erwähnten Plan alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden.
Am 1. Juli 1945 rückten die amerikanischen Truppen In Berlin ein, während sie von ihren vorgeschobenen Positionen in Ostdeutschland zurückgezogen wurden.
Im Einklang mit dem Vorschlag über den Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Thüringen und Sachsen und ihrem Einzug in Berlin fand am 29. Juni 1945 eine Konferenz zwischen Marschall Schukow, General Clay und General Weeks statt. Es wurden allgemeine Vereinbarungen über die Benutzung bestimmter ‘Straßen, Eisenbahnlinien und Luftkorridore seitens der Westmächte getroffen, damit diese ihr Recht auf Zugang nach Berlin ausüben könnten.
Die allgemeinen Vereinbarungen wurden weiter durch Maßnahmen des alliierten Kontrollapparates in Deutschland — des Kontrollrats, des Koordinierungsausschusses als wichtigstes nachgeordnetes Kontrollratsorgan und der beteiligten Funktionsausschüsse und Referate — festgelegt. Einige dieser spezifischen Regelungen wurden in eigens gebilligte Dokumente aufgenommen, wie das Dokument des Transportreferats CONL/P (45) 27 über den Zugang auf dem Eisenbahnwege, das Protokoll (110) (a) des Alliierten Kontrollrats über Luftkorridore nach Berlin, das Dokument DAIR/P (45) 67, zweite Fassung, des Luftfahrtreferats über die Luftsicherheit in Berlin, sowie das Dokument DAIR/P (45) 71, zweite Fassung, des Luftfahrtreferats über Bestimmungen für Flüge In den Luftkorridoren. Darüber hinaus kam hinsichtlich der Ausübung des Zugangsrechts durch die Westmächte eine ganze Reihe von Arbeitsverfahren und praktischen Regelungen zustande. Die Vereinbarungen bezogen sich jedoch nur auf die ordnungsgemäße Ausübung des Zugangsrechts.
Am 20. März 1948 verließen die sowjetischen Vertreter den Alliierten Kontrollrat für Deutschland, nachdem der den Vorsitz führende sowjetische Delegierte die Sitzung eigenmächtig für beendet erklärt hatte. Am 30. März 1948 erklärte der stellvertretende sowjetische Militärgouverneur, General Dratwin, in einem Schreiben an die amerikanische Militärregierung, daß am 1. April 1948 hinsichtlich der Verbindungswege zwischen der sowjetischen und der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands Zusatzbestimmungen in Kraft treten würden. Diese Bestimmungen, die im Gegensatz zu der seit der Viermächte-Besetzung Berlins geübten Praxis standen, schrieben vor:
1. Amerikaner, die über Bahn oder Straße durch die sowjetische Zone reisen, müssen sich durch die Vorlage von Papieren legitimieren und ihre Zugehörigkeit zur amerikanischen Militärverwaltung für Deutschland nachweisen. -
2. Militärische Frachtgutsendungen von Berlin nach den Westzonen müssen an den sowjetischen Kontrollstellen mit sowjetischen Genehmigungen ausgewiesen werden; Frachtgutsendungen nach Berlin müssen durch Begleitpapiere ausgewiesen werden.
3. Alles Gepäck muß an den sowjetischen Kontrollstellen kontrolliert werden, ausgenommen das persönliche Gepäck von Amerikanern, das im Eisenbahnabteil oder im Personenwagen mitgeführt wird.
Ähnliche Schreiben wurden den Behörden der britischen und der französischen Militärregierung zugestellt.
Am 31. März antwortete der Stabschef der amerikanischen Militärregierung, die neuen Bestimmungen seien unannehmbar und derartige einseitige Änderungen der Politik könnten nicht anerkannt werden.
Die Sowjets führten dann verschiedene Beschränkungen des Verkehrs nach und von Berlin ein, die schließlich in der Berliner Blockade gipfelten. Was die Anstrengungen der Sowjetunion betrifft, die Bevölkerung Berlins auszuhungern, um die Westmächte zur Aufgabe ihrer Rechte in der Stadt zu zwingen, so sind die Tatsachen zu gut bekannt, als daß sie nochmals dargelegt werden müßten.
Die von den Westmächten errichtete Luftbrücke brachte diese sowjetischen Bemühungen zum Scheitern. Am 4. Mai 1949 erzielten die Regierungen der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs in New York ein Übereinkommen, das u. a. bestimmte:
1. Alle von der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken seit dem 1. März 1948 verfügten Behinderungen der Nachrichten-, Verkehrs- und Handelsverbindungen zwischen Berlin und den Westzonen Deutschlands sowie zwischen der Ostzone und den Westzonen werden am 12. Mai 1949 aufgehoben.
Der Rat der Außenminister, der nach Abschluß des New Yorker Abkommens vom 4. Mai 1949 in Paris zusammenkam, gelangte zu folgender Vereinbarung:
5. Die Regierungen Frankreichs, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten sind übereingekommen, daß das New Yorker Abkommen vom 4. Mai 1949 beibehalten werden soll. Darüber hinaus sollen die Besatzungsmächte jeweils in ihrer Zone — um die in den vorangehenden Absätzen beschriebenen Ziele weiter zu fördern und um dieses und andere Abkommen und Übereinkommen bezüglich der Bewegung von Personen und Gütern und der Verbindung zwischen der Ostzone und den Westzonen sowie zwischen den Zonen und Berlin, sowie weiter bezüglich des Transits zu verbessern und zu ergänzen — die Verpflichtung haben, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des normalen Funktionierens und der normalen Benutzung der Schienen-, Wasser- und Straßenwege für eine derartige Bewegung von Personen und Gütern und solcher Verbindungen durch Post, Telefonie und Telegrafie zu treffen.
Artikel 1 des New Yorker Abkommens vom 4. Mai 1949 wurde durch den Befehl Nr. 56 der Sowjetischen Militär-Administration und des Oberbefehlshabers der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland vom 9. Mai 1949 in Kraft gesetzt. Der Befehl besagt, daß die Bestimmungen, die vor dem 1. März 1948 bezüglich der Verbindungen zwischen Berlin und den Westzonen in Kraft waren, wieder Gültigkeit erlangen. Absatz 4 des sowjetischen Befehls sieht insbesondere vor:
Das vor dem 1. März 1948 gültige Verfahren, das dem Militär- und Zivilpersonal der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungstruppen erlaubte, die Demarkationslinie an den Kontrollpunkten Marienborn und Nowawes ohne besondere Pässe zu überschreiten und das für alle anderen Kontrollpunkte vom Stab der SMA ausgegebene Pässe vorschrieb, soll wieder eingeführt werden.
Der vorstehende historische Überblick zeigt einwandfrei, daß die Rechte der USA in Deutschland und Berlin in keiner Weise von der Duldung oder Einwilligung der Sowjetunion abhängen. Diese Rechte resultieren aus der totalen Niederlage des Dritten Reichs und der nachfolgenden Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland. Die Niederwerfung und Übernahme der Machtbefugnisse wurden als gemeinsame Unternehmen durchgeführt, bei denen allen Beteiligten gleicher Rang zukam. Die Rechte jeder Besatzungsmacht existieren unabhängig voneinander und bilden die Grundlage für die verschiedenen Übereinkommen, die festlegten, in welchen Gebieten und mit welchen Methoden diese Rechte ausgeübt werden sollen. Aus dieser Tatsache ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen.
Zunächst einmal ändern sich die spezifischen Rechte, die auf dem „Abkommen über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“ fußen, weder nach ihrer Natur noch nach ihrem Ausmaß. Das Recht jeder Macht, als Besatzung in Berlin zu sein, ist dem Recht einer jeden Macht, als Besatzung in ihrer Zone zu sein, gleichrangig. Ferner ist das Recht der drei Westmächte auf freien Zugang nach Berlin als ein unerläßliches Korrelat ihres dortigen Besatzungsrechts vom gleichen Rang wie das Besatzungsrecht selbst. Nicht die Sowjetunion hat die Westmächte mit dem Recht auf Zugang nach Berlin ausgestattet. Sie übernahm ihre Besatzungszone unter der Voraussetzung des Bestehens dieses Zugangsrechts. Wenn dies nicht der Fall wäre und der Grundsatz gemeinsamer und gleicher Rechte nicht zuträfe, dann könnten zum Beispiel die USA jetzt von der Sowjetunion fordern, sich aus demjenigen Teil der sowjetischen Zone zurückzuziehen, der ursprünglich von amerikanischen Truppen besetzt worden war, um ihrerseits die Kontrolle über dieses Gebiet zu übernehmen.
Da zweitens die Besatzungs- und Zugangsrechte nicht von der Sowjetunion herrühren, haben die Sowjets keinerlei Befugnis, diese Rechte durch Aufkündigung von Abkommen oder durch die vorgebliche Übertragung ihrer Kontrolle an dritte aufzuheben. Die Sowjetunion kann diese Rechte nicht daß durch beeinträchtigen, daß sie Abkommen für null und nichtig erklärt, da die Rechte unabhängig von der Sowjetunion bestehen. Die Sowjetunion kann diese Rechte auch nicht dadurch beeinträchtigen, daß sie erklärt, sie fielen unter die Souveränität, mit der sie angeblich ihr Marionettenregime in Ostdeutschland ausgestattet hat, weil die Rechte wiederum unabhängig von jeder Handlung der Sowjets weiterbestehen. Gleichgültig, welche Beziehungen das ostdeutsche Regime zu den Sowjets unterhalten mag, kann es in keinem Fall eine Befugnis in der Sowjetzone übernehmen, die die Sowjets überhaupt nicht zu übertragen vermögen. Die vorstehenden Ausführungen nehmen natürlich keinen Bezug auf die Legalität des angedeuteten Schrittes der Sowjets, Ihre feierlichen Verpflichtungen aufzukündigen; diese Frage wird im folgenden erörtert.
Die Sowjetregierung erklärt in ihrer Note vom 27. November 1958:
Die Sowjetregierung kann sich nicht länger durch den Teil der alliierten Abkommen über Deutschland gebunden betrachten, der unangemessenen Charakter angenommen hat und zur Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes in Westberlin und zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR ausgenutzt wird.
In diesem Zusammenhang setzt die Regierung der UdSSR die Regierung der USA davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion als null und nichtig betrachtet: das „Protokoll über das Abkommen zwischen den Regierungen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“ vom 12. September 1944 sowie die damit verbundenen Zusatzabkommen einschließlich des Abkommens über das Kontrollverfahren in Deutschland, das zwischen den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs am 1. Mai 1945 abgeschlossen wurde, d. h. die Vereinbarungen, die während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands wirksam sein sollten.
Bei ihrem Versuch, diesen Schritt zu rechtfertigen, behauptet die Sowjetregierung:
1. daß ein solcher Schritt legal sei, weil die Westmächte angeblich das Potsdamer Abkommen verletzt hätten;
2. daß die Abkommen lediglich während der ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands wirksam sein sollten;
3. daß die Westmächte durch angebliche Handlungen in den Westsektoren von Berlin ihre Rechte auf Besetzung dieser Sektoren und auf freien Zugang dorthin verwirkt hätten.
Die zwischen dem Potsdamer Abkommen und den Besatzungsrechten der USA in Berlin bestehenden Beziehungen
Das sogenannte Potsdamer Abkommen wurde zum Abschluß der Berliner Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 veröffentlicht. Das Protokoll über die Verhandlungen, das die von den Regierungschefs der USA, Großbritanniens und der UdSSR getroffenen Vereinbarungen enthält, trägt das Datum des 1. August 1945. Allein schon aus dieser Datumsangabe geht hervor, daß die Gültigkeit des Abkommens über die Besatzungszonen und die Verwaltung Groß-Berlins, das nahezu sechs Monate früher am 6. Februar 1944 in Kraft trat, nicht vom Potsdamer Verhandlungsprotokoll abhängt. Darüber hinaus enthält das Potsdamer Protokoll nichts, wodurch das vorherige Abkommen ausdrücklich irgendeiner seiner Bestimmungen untergeordnet würde oder was in diesem Sinne interpretiert werden könnte. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, daß die später getroffenen Vereinbarungen über die Ausübung des Zugangsrechtes sich in irgendeiner Weise auf das Potsdamer Protokoll beziehen oder mit ihm verbunden sind.
Auch (angebliche oder tatsächliche) Verletzungen des Potsdamer Abkommens könnten deshalb keinerlei rechtliche Auswirkung auf die Gültigkeit sowohl der grundlegenden Besatzungsrechte der Westmächte als auch der Abmachungen haben, die das Recht der Westmächte definieren, als Besatzung in ihren Zonen und in ihren Sektoren von Berlin anwesend zu sein und freien Zugang nach Berlin zu haben.
Darüber hinaus steht das Potsdamer Abkommen, soweit es Deutschland betrifft, in Zusammenhang mit den gemeinsamen Zielen der Besatzungsbehörden in Deutschland. Die Erreichung dieser Ziele sollte die Zwecke der Besetzung Deutschlands fördern, doch enthält das Protokoll nirgends einen Hinweis darauf, daß die Besatzungsrechte von der Erreichung dieser Ziele abhängig gemacht worden seien. Des weiteren resultierte, soweit diese Ziele nicht verwirklicht wurden, das Versagen aus Verletzungen der Bestimmungen des Potsdamer Protokolls durch die Sowjetunion. Die wesentlichen Verletzungen bestanden in der Weigerung der Sowjetunion, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, und in den fortgesetzten Versuchen der Sowjetunion, Reparationszahlungen einzutreiben, auf die sie nach den Bestimmungen des Protokolls keinen Anspruch hatte. Die USA sind bereit, Verletzungen des Potsdamer Abkommens durch die Sowjetunion dokumentarisch zu belegen. Sie haben jedoch niemals behauptet, daß derartige Verletzungen die Besatzungsrechte der Sowjetregierung in ihrer Zone Deutschlands und in ihrem Sektor Berlins beeinträchtigten.
Die USA bestreiten — und sie sind bereit, die Richtigkeit ihres Standpunktes dokumentarisch zu beweisen—, das Potsdamer Abkommen verletzt zu haben, wie dies von der Sowjetregierung behauptet wird. Die USA verweisen jedoch darauf, daß dieses Problem für die Frage, ob die Sowjetunion ein internationales Abkommen wie das Protokoll vom 12. September 1944 einseitig für null und nichtig erklären kann, irrelevant ist, da sich die beiden Abkommen auf verschiedene Gegenstände bezogen und in keiner Weise voneinander abhingen.
Es sollte weiter im Auge behalten werden, daß die Sowjetunion in ihrer Note nicht behauptet hat, daß sie das Potsdamer Protokoll auf Grund dieser angeblichen Verletzungen durch die Westmächte als null und nichtig ansieht. Wenn das Potsdamer Protokoll daher in Kraft und wirksam bleibt, wie kann man dann — selbst wenn man um des Argumentes willen akzeptiert, daß diese anderen, davon unterschiedenen und unabhängigen Übereinkommen von diesem Protokoll tatsächlich abhängig seien — logisch oder rechtlich den Standpunkt aufrechterhalten, daß die ergänzenden Abkommen durch eine Verletzung des Hauptabkommens null und nichtig werden, obwohl das Hauptabkommen selbst nicht aufgehoben wird? Dieser Standpunkt ist schon auf den ersten Blick vollkommen unhaltbar.