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Die Sowjetunion hat direkt und mit Hilfe ihres Marionettenregimes

— der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik — ihre Verfügungsgewalt über das große Gebiet konsolidiert, das die Westalliierten ihr abgetreten hatten. Sie fordert nunmehr, daß die Westalliierten ihre Positionen in Berlin aufgeben, die praktisch die Gegenleistung dafür waren.

Die drei Westmächte sind als Besatzungsmächte in Berlin, und sie sind nicht zur Aufgabe der Rechte bereit, die sie durch den Sieg erworben haben, genau wie sie annehmen, daß die Sowjetunion nicht gewillt ist, jetzt den Westmächten diejenigen Positionen zu überlassen, die diese in Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und Anhalt gewonnen, dann aber auf Grund der Abkommen von 1944 und 1945 der Sowjetunion zur Besetzung übergeben hatten.

Die von den vier Mächten geschlossenen Abkommen können nicht deshalb als überholt betrachtet werden, weil die Sowjetunion, nachdem sie bereits den vollen Nutzen aus ihnen gezogen hat, nunmehr die übrigen Partner um ihre Kompensationsvorteile prellen möchte. Diese Abkommen sind für alle Signatarstaaten bindend, so lange sie nicht durch andere frei vereinbarte Abkommen ersetzt worden sind.

Was das Potsdamer Abkommen betrifft, so hängt der Status Berlins nicht von ihm ab. Darüber hinaus trägt die Sowjetunion die Verantwortung dafür, daß das Potsdamer Abkommen nicht durchgeführt werden konnte.

Das sowjetische Memorandum zielt formell darauf ab, die Abkommen vom 12. September 1944 und vom 1. Mai 1945 aufzukündigen. Diese Aufkündigung betrifft praktisch auch noch andere und später getroffene Vereinbarungen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Viermächteabkommen vom 20. Juni 1949, mit dem die Sowjetunion unter anderem „die Verpflichtung“ übernahm, das normale Funktionieren der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen zwischen Berlin und den Westzonen Deutschlands zu gewährleisten. Dieser „Verpflichtung“ möchte die Sowjetunion sich nunmehr entziehen. Die Vereinigten Staaten verweisen ferner auf das „Gipfelkonferenz“-Abkommen vom 23. Juli 1955, in dem die vier Mächte „ihre gemeinsame Verantwortung für die Regelung der deutschen Frage“ anerkannten, eine Formulierung, die zwangsläufig auch das Berlin-Problem mit einschließt. Offensichtlich versucht die Sowjetunion nunmehr, sich von diesen vereinbarten Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen freizumachen.

Die Regierung der Vereinigten Staaten kann die sowjetische Regierung nicht daran hindern, das Erlöschen ihrer eigenen Befugnisse aus dem Viermächteregime für den Sektor zu verkünden, den sie in der Stadt Berlin besetzt hält. Andererseits kann und wird die Regierung der Vereinigten Staaten auf keinen Fall eine einseitige Aufkündigung der Abkommen von 1944 und 1945 akzeptieren; sie ist auch nicht bereit, die Sowjetunion aus den Verpflichtungen zu entlassen, die diese im Juni 1949 übernommen hat. Eine solche Maßnahme seitens der sowjetischen Regierung würde keine rechtliche Basis haben, da die Abkommen nur mit gemeinsamer Zustimmung aufgehoben werden können. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird auch weiterhin die sowjetische Regierung direkt für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen, die sie unter den bestehenden Abkommen hinsichtlich Berlins übernommen hat, verantwortlich machen. Wie der sowjetischen Regierung bekannt ist, besitzen die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der USA das Recht auf Truppenstationierung in ihren Berliner Sektoren und auf freien Zugang dorthin. Dementsprechend sind mit den sowjetischen Behörden gewisse administrative Verfahren abgesprochen worden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Kraft sind. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird eine einseitige Aufkündigung der übernommenen Verpflichtungen seitens der sowjetischen Regierung hinsichtlich des freien Zuganges nicht akzeptieren. Sie wird es auch nicht akzeptieren, daß das Regime, das die Sowjetregierung als Deutsche Demokratische Republik bezeichnet, in dieser Hinsicht an die Stelle der Sowjetregierung tritt.

Nach Ansicht der Regierung der Vereinigten Staaten kann die Anwesenheit der französischen, britischen und amerikanischen Truppen in Berlin keine „Bedrohung“ für die sowjetische Regierung oder für das Regime darstellen, das die sowjetische Regierung als Deutsche Demokratische Republik bezeichnet. Genauso wenig kann für die sowjetische Regierung und besagtes. Regime eine militärische Bedrohung von Berlin ausgehen. Die Streitkräfte der drei Westmächte in Berlin belaufen sich auf rund 10 000 Mann. Die Sowjetregierung andererseits hat — wie es heißt — etwa 350 000 Mann in Ostdeutschland stationiert, während das Regime, das die Sowjetregierung als die Deutsche Demokratische Republik bezeichnet, ebenfalls über 200 000 Mann unter Waffen halten soll. Unter diesen Umständen scheint die Befürchtung, daß die in Berlin stationierten westlichen Truppen „Schaden anrichten“ könnten, völlig unbegründet. Wenn Berlin zum Mittelpunkt internationaler Spannungen geworden ist, so nur, weil die Sowjetunion bewußt mit der Aufhebung der gegenwärtig dort in Kraft befindlichen Abmachungen gedroht hat — Vereinbarungen, zu

deren Partnern die Sowjetregierung selbst gehört. Die Bevölkerung Westberlins hat vor kurzem in freier Wahl ihre überwältigende Billigung und Unterstützung des bestehenden Status der Stadt erneut bekräftigt.

Der weitere Schutz der Freiheit von über zwei Millionen Menschen in Westberlin ist von den drei Westmächten feierlich als Recht und Pflicht übernommen worden. Die Vereinigten Staaten können daher keinen Vorschlag in Betracht ziehen, der auf eine Gefährdung der Freiheit und Sicherheit dieser Menschen hinauslaufen würde. Das Recht der drei Mächte zum Verbleib in Berlin und auf unbehinderte Erd- und Luftverbindung zwischen dieser Stadt und der Bundesrepublik Deutschland ist unter den gegebenen Bedingungen für die Wahrnehmung dieses Rechtes und dieser Pflicht von entscheidender Bedeutung. Daher ist der Vorschlag, aus Westberlin eine sogenannte „freie Stadt“ zu machen, wie ihn die Sowjetunion unterbreitet hat, unannehmbar.

Es ist — wie in der Note der sowjetischen Regierung vom 27. November erklärt wird — gewiß nicht normal, daß 13 Jahre nach Kriegsende auf einem Teil des deutschen Territoriums immer noch ein 1945 geschaffenes Besatzungssystem besteht. Die Vereinigten Staaten bedauern dies ebenso wie die Tatsache, daß Deutschland immer noch nicht wiedervereinigt ist, so daß Berlin seinen rechtmäßigen Platz als Hauptstadt eines vereinten Deutschland einnehmen könnte. Wenn der Friedensvertrag, der dieser Situation allein ein Ende setzen kann, noch nicht mit einem wiedervereinigten Deutschland abgeschlossen worden ist, so liegt die Verantwortung hierfür keineswegs bei den drei Westmächten, die keine Anstrengungen gescheut haben, um die vier Mächte aus der Sackgasse herauszubringen, in der sie sich schon so lange befinden. Solange es nicht zu einem Friedensvertrag kommt, wird die gegenwärtige Situation andauern.

In Wirklichkeit ist die Form der Regierung Berlins, deren Gültigkeit die Sowjetregierung heute zu bestreiten sucht, nur ein Aspekt und nicht der entscheidende des deutschen Problems in seiner Gesamtheit. Dieses Problem, das oftmals definiert worden ist, schließt die wohlbekannten Fragen der Wiedervereinigung, der europäischen Sicherheit und auch des Friedensvertrages ein. Es ist in der Vergangenheit im Verlaufe zahlreicher internationaler Konferenzen mit den Sowjets ohne Erfolg erörtert worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten war stets und ist auch heute bereit, dieses Problem zu diskutieren. Die Vereinigten Staaten haben diese Bereitschaft in der Note an die Sowjetunion vom 30. September 1958 klargestellt, in der es heißt:

„Die Regierung der Vereinigten Staaten ist jederzeit bereit, mit der sowjetischen Regierung auf der Grundlage dieser Vorschläge (das heißt der Vorschläge des Westens für freie gesamtdeutsche Wahlen und Entscheidungsfreiheit für eine gesamtdeutsche Regierung) oder jedweder anderen Vorschläge, deren ehrliche Absicht es ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit herbeizuführen, in jedem geeigneten Rahmen Verhandlungen aufzunehmen. Sie hält die Lösung des Deutschlandproblems für wesentlich, wenn eine dauerhafte Regelung in Europa erreicht werden soll.“ Die Sowjetunion ist bisher die Antwort auf diese Note schuldig geblieben.

Die öffentliche Aufkündigung feierlicher Vereinbarungen, die formell eingegangen und wiederholt bekräftigt wurden, verbunden mit einem Ultimatum, das mit einseitigen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Aufkündigung droht, sofern ihm nicht innerhalb von sechs Monaten entsprochen wird, bietet keine vernünftige Grundlage für Verhandlungen zwischen souveränen Staaten. Die Regierung der Vereinigten Staaten könnte Besprechungen mit der Sowjetunion über diese Fragen unter dem Druck einer Drohung oder eines Ultimatums nicht aufnehmen; vielmehr sähen sich die Vereinigten Staaten, falls dies beabsichtigt sein sollte, gezwungen, umgehend in der nachdrücklichsten Form zu protestieren. Es wird daher angenommen, daß dies nicht die Absicht der sowjetischen Note vom 27. November ist und daß die sowjetische Regierung — gleich der amerikanischen Regierung — bereit ist, in einer von Druck oder Drohungen freien Atmosphäre Besprechungen aufzunehmen.

Unter dieser Voraussetzung wäre es für die Regierung der Vereinigten Staaten von Interesse, zu erfahren, ob die sowjetische Regierung bereit ist, Besprechungen zwischen den vier betroffenen Mächten aufzunehmen. In diesem Falle wäre es das Ziel der Regierung. der Vereinigten Staaten, die Frage Berlins in dem weiteren Rahmen von Verhandlungen zur Lösung des deutschen Problems sowie des Problems der europäischen Sicherheit zu erörtern. Die Regierung der Vereinigten Staaten würde eine baldige Unterrichtung über die Ansichten der sowjetischen Regierung begrüßen.

Memorandum des US-Außenministeriums vom 20. Dezember 1958 zur Rechtslage in der Berlin-Frage

Nach Ansicht der Vereinigten Staaten sind die von der Sowjetunion aufgekündigten Abkommen voll in Kraft und wirksam, bleibt die Sowjetunion weiterhin für die Einhaltung der Verpflichtungen, die sie auf Grund dieser Abkommen übernommen hat, voll verantwortlich und verstoßen die Versuche der Sowjetunion, die Rechte der USA auf Anwesenheit in Berlin und auf Zugang dorthin zu schmälern, gegen das Völkerrecht.

Der Rechtsstreit zwischen der Regierung der USA und der Sowjetregierung berührt grundlegende Fragen des Völkerrechts. Darunter fallen die jeweiligen von den Besatzungsmächten in Deutschland am Ende des zweiten Weltkrieges erworbenen Rechte sowie der Bestand dieser Rechte bis zu einer endgültigen Friedensregelung mit Deutschland; ferner die Frage, ob ein Land einseitig und grundlos internationale Abkommen, zu deren Partnern es gehört, aufkündigen darf, um sich selbst der Verantwortlichkeit zu entledigen, die es freiwillig übernommen hatte, sowie die Frage, welche Auswirkung ein einseitiger Verzicht auf gemeinsam ausgeübte militärische Besatzungsrechte durch eine Besatzungsmacht hat.

Während des zweiten Weltkriegs bildeten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion zusammen mit den Streitkräften des Freien Frankreich und der übrigen Vereinten Nationen eine Koalition der verbündeten Streitkräfte, deren gemeinsame Bemühungen darauf gerichtet waren, Nazideutschland zu besiegen. Die Regierungschefs der alliierten Mächte hielten verschiedene große internationale Konferenzen ab, auf denen die gemeinsamen Ziele umrissen und Pläne für die Sicherung des Friedens entworfen wurden.

In dem gemeinsam vereinbarten Kommuniqué der Moskauer Konferenz vom 19—30. Oktober 1943 heißt es:

Die Konferenz einigte sich darauf, einen Mechanismus zu schaffen, um die engstmögliche Zusammenarbeit zwischen den drei Regierungen bei der Prüfung der europäischen Fragen sicherzustellen, die sich während des weiteren Kriegsverlaufs ergeben. Zu diesem Zweck beschloß die Konferenz, in London eine Europa-Beratungskommission zu bilden, die diese Fragen studieren und den drei Regierungen gemeinsame Empfehlungen unterbreiten soll.

Die Europa-Beratungskommission hielt ihre erste Sitzung am 14. Januar 1944 ab. Danach erörterte sie „europäische Fragen“, darunter auch die zu erwartende Kapitulation und Besetzung Deutschlands. Die Art der späteren Besetzung Deutschlands und Groß-Berlins geht aus den in der Europa-Beratungskommission durchgeführten Besprechungen und den auf Grund dieser Besprechungen geschlossenen Abkommen eindeutig hervor.

Am 18. Februar 1944 legte der sowjetische Vertreter der Kommission ein Dokument mit dem Titel „Bedingungen für die Kapitulation Deutschlands“ zur Erörterung vor, dessen Artikel 15 die damaligen Ansichten der Sowjetregierung zur Errichtung von Besatzungszonen in Deutschland zeigt. Absatz d) des Artikels 15 dieses Dokuments schlug in bezug auf Berlin folgendes vor:

d) Es soll rings um Berlin eine 10—15 km-Zone geschaffen werden, die gemeinsam von den Streitkräften der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika zu besetzen ist.

Bei der Erörterung des sowjetischen Vorschlags bezweifelte der britische Vertreter auf der Sitzung vom 18. Februar 1944, ob es zweckdienlich sei, in die Kapitulationsbedingungen eine Bestimmung über die Abgrenzung solcher Zonen aufzunehmen, da er dies als eine interne Angelegenheit der drei Mächte betrachtete.

Am 17. März 1944 erklärte der sowjetische Vertreter Gusew auf der 5. Sitzung der Europa-Beratungskommission, daß er nicht auf der Aufnahme des Artikels 15 in die Kapitulationsurkunde bestehe, damit diese kürzer gehalten werden könne. Die Zonenabgrenzung könne dann in einem gesonderten Dokument erfolgen, das lediglich der Zustimmung der Verbündeten bedürfe. Dieses gesonderte Dokument wurde im Verlaufe mehrerer späterer Besprechungen ausgearbeitet, und am 12. September 1944 unterzeichneten die Vertreter der drei Regierungen ein „Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung Groß-Berlins“. Am 14. November 1944 wurde Übereinstimmung über bestimmte Ergänzungen zu dem Protokoll vom 12. September erzielt. Wie der sowjetische Vertreter in der Europa-Beratungskommission mitteilte, billigte die Sowjetregierung die Zusatzvereinbarungen am 6. Februar 1945; Großbritannien hatte schon vorher am 5. Dezember 1944 das Protokoll mit den Ergänzungen angenommen, und die USA hatten sie am 2. Februar 1945 gebilligt.

Die Krimkonferenz fand vom 4.—11. Februar 1945 statt, und nach ihrem Abschluß gaben der Premierminister Großbritanniens, der Präsident der USA und der Vorsitzende des Rats der Volkskomissare der UdSSR folgende bedeutsame Erklärung zu den Ergebnissen der Krimkonferenz ab: