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4766 ► Deutscher Bundestag - 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. März 1951

 

(Dr. Schumacher)

 

gehen. Es ist eine Illustrierung der Leninschen Theorie von der provisorischen Regierung, die so viel Tatsachen zu schaffen hat, daß sie nachher durch demokratische Wahlen nicht mehr korrigiert oder gar aus der Welt geschafft werden können.

 

(Sehr richtig! bei der SPD.)

 

Der Hauptbestandteil eines Friedensvertrags noch 1951 wäre aber ein anderer. Er soll die Befreiung der Sowjets von ihrer größten europäischen, und deutschen Sorge sein, die imstande ist, das ganze Satellitensystem zu schwächen und zu lahmen. Das Hauptziel dieses Friedensvertrages wäre, die deutsche Zustimmung zur Oder-Neiße-Linie als der endgültigen Grenze zu erlangen.

 

(Sehr wahr! rechts.)

 

Zur gleichen Zeit, in der man hier wilhelminisch, hitlerisch und in allen anderen Sprachen des Nationalismus unserem Volk propagandistisch kommt, verhandelt der sogenannte Ministerpräsident von Pankow mit Polen! Dieser Monat März ist der Monat der deutsch-polnischen Freundschaft.

 

(Zuruf von der KPD: Gott sei Dank! - Zuruf rechts: Pfui Teufel!)

 

Wir wollen die Freundschaft mit dem polnischen Volk, - aber nicht um den Preis des deutschen Selbstmords.

 

(Allgemeiner lebhafter Beifall.)

 

Die Kommunisten haben nicht das Recht, auf Menschen und Gebiete Deutschlands zu verzichten, die ihnen doch nicht gehören, diese kommunistische Partei, eine Funktion einer Besatzungsmacht!

 

(Erneuter lebhafter Beifall.)

 

Dabei ist wichtig, daß bei den Erklärungen und gemeinsamen Aufrufen im Osten die Oder-Neiße-Linie nicht mehr die bloße Grenze ist. Im Stil der Agitation des vorigen Jahres ist sie nicht einmal nur die berühmte „Friedensgrenze“ und die „Friedensgrundlage“. Jetzt ist sie noch mehr! Es heißt in dem gemeinsamen großen Aufruf der „Blockparteien“ wörtlich: „Die Oder-Neiße-Grenze ist ein Bindeglied beider Völker geworden.“

 

(Abg. Renner: Richtig! - Allgemeine Heiterkeit.)

 

Man schwärmt in diesen Erklärungen davon - ich zitiere wieder wörtlich -, „daß sowjetisches Erz und polnische Kohle zu deutschem Friedensstahl verarbeitet werden“.

 

(Große Heiterkeit.)

 

Bloß wie die Kommunisten zu anständigen Deutschen gemacht werden, dafür ist kein Programm vorgesehen.

 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts. - Zurufe bei der KPD.)

 

Die „Nationalzeitung", das Blatt des organisierten Rechtsradikalismus im Dienste Sowjetrußlands,

 

(anhaltende Zurufe von der KPD; - Glocke des Präsidenten; - Zuruf rechts: Ruhe bei den Sowjets!)

 

das Organ des früheren Generals Vinzenz Müller, schreibt sogar: „Die Friedensgrenze an der Oder-Neiße ist heute für beide Völker zur begünstigenden Brücke geworden.“

 

(Hört! Hört!)

 

So weit - und das mögen sich viele Leute in Westdeutschland zur Lehre dienen lassen - sinken die Vertreter des alten Nationalismus, wenn sie mit dem sowjetischen Tötalitarismus zusammenarbeiten.

 

(Erneuter lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

 

Von dieser Stelle aus ist es unsere Aufgabe, die Offiziere und Mannschaften der Volkspolizei in der sowjetischen Besatzungszone zu fragen, wie lange sie noch den Weg unter den Fahnen des Kommunismus gegen ihr eigenes Vaterland weitermarschieren wollen.

 

(Stürmischer Beifall von der SPD bis rechts. - Zurufe von der KPD. Gegenrufe: Raus!)

 

Alle Bemühungen der östlichen Politik haben nur das eine Ziel, den Konstituierenden Rat zu schaffen und ihm die Funktion der Gesetzgebung und der Regierungsbildung zu überlassen. Demgegenüber haben wir Sozialdemokraten schon seit 1946 immer wieder gleiche und freie Wahlen unter den gleichen Chancen für alle Beteiligten als den Schritt Nr. l angesehen. Wenn die kommunistische Taktik siegen oder auch nur auf dem Wege des Kompromisses gewisse Erfolge haben würde, dann, meine Damen und Herren, wäre nicht nur eine Schlacht, dann wäre der Feldzug um die Freiheit in Deutschland, vielleicht in Europa verloren.

 

(Sehr richtig! bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

 

Alles steht und fällt damit, daß die freien Wahlen unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen für alle politischen Richtungen der Demokratie der Schritt Nr. l sind.

 

(Bravo!)

 

Die deutsche Frage auf der Außenministerkonferenz ist die Frage nach den freien Wahlen und damit die Frage nach einer freien und starken Regierung.

 

(Abg. Rische: Ohne amerikanische Aktien!)

 

- Nein; wir werden unsere Bundesgenossen aber auch nicht aus der Kirgisensteppe holen.

 

(Heiterkeit und Beifall.)

 

Das ist politischer Sinn und Inhalt des Briefes der Sozialdemokratischen Partei vom 31. Januar an den Herrn Bundeskanzler. Ich hoffe, die Befriedigung von vielen außerhalb der Regierungskoalition auszudrücken, wenn ich sage, daß das auch der entscheidende Punkt der Note und der Erklärung der Bundesregierung gewesen ist.

 

(Bravo! bei der SPD.)

 

Ein frei gewähltes und freies Parlament hat nicht nur eine Verfassung zu schaffen, es hat die ganze Gesetzgebung zu bewältigen und es hat die oberste Aufgabe der Bildung einer demokratischen Regierung, einer starken Zentralgewalt. Diese Zentralgewalt und das sie tragende Parlament haben nicht nur Recht zu setzen, sondern sie haben Tatsachen zu schaffen. Diese Tatsachen haben übereinzustimmen mit den Tatsachen, die vor, während und nach den Wahlen durch die demokratischen Kräfte der ganzen Welt gestaltet und organisiert werden sollen.

 

Die propagandistische Welle der Kommunisten wird weitergehen. Aber die politische Aktion ist für diese Situation gescheitert. Die politische Eroberung der Deutschen Bundesrepublik durch den Kommunismus findet nicht statt.

 

(Heiterkeit und Beifall.)

 

Sie findet, wenigstens legal nicht statt.

 

(Zurufe von der KPD.)