Ein Buch würdigt die Kunstaktionen an der Berliner Mauer

Im Anfang dieses Jahres erschienen Buch Verboten: Berliner Mauerkunst dokumentiert Herausgeber Ralf Gründer, wie sich die Berliner Mauer von einer meterhohen Beton-Staatsgrenze immer mehr zu einer metropolen Staffelei mauserte. Spätestens seit den 80er Jahren wurde "die Mauer" im Westteil Berlins zu einer Art ständig aktualisierten Info-, Propaganda- und Kunstwand, die auf zumeist sehr spontane Weise die Befindlichkeiten der Westberliner Bevölkerung und sicher auch mancher Touristen wiedergab, die sich hier quasi im Gästebuch des Kalten Krieges verewigten.

Die gelungene, überwiegend visuell und faktisch dokumentierende Zusammenstellung der Kunstaktionen, die an der Berliner Mauer stattfanden, erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Unter den unzähligen, von situativem Witz, politischer Wut, surrealem Spirit und von vielem mehr geprägten Malereien, Graffiti, Sprüchen, Pyromanien und Installations gab es zum Beispiel die „Hommage an Duchamp" des Künstlers Noir und Bouchet, während der sie eine Stahltür, ein Pissoir und eine Waschbecken im oberen Bereich der Mauer installierten und daraufhin ein ganzes Grepo-Kommando zum unverzüglichen Demontieren dieser grenzverletzenden Objekte veranlaßten. Zwei weitere Aktionen setzten sich auf diametral entgegengesetzte Weise mit der physischen Existenz der Mauer auseinander. Die Berliner Kunstgruppe „Die Tödliche Doris" hatte in ihrem 1983 für den WDR gedrehten Film Naturkatastrophenkonzert bewußt eine Kamera-Perspektive gewählt, die die Mauer optisch zum Verschwinden brachte: Die Beteiligten sangen vor brennendem Mikrophon, das vor einem im Westberliner Teil befindlichen Sandhügel aufgestellt war, hinter dem der in unmittelbarer Nähe befindliche „antifaschistische Schutzwall" völlig verschwand, so daß man nicht im geringsten vermuten konnte, daß sich hinter diesem öden Hügel der Eiserne Vorhang befand. Dem gegenüber zogen Ende 1986 fünf Kreuzberger „Abstrakteure" am Mariannenplatz einen weißen Farbstrichs entlang der gesamten Berliner Mauer, um auf die „nackte" Existenz des Betonbaus, der beide Teile Berlins auf unterschiedliche Weise eingrenzte, aufmerksam zu machen. Ihre von ihnen als „Re-Realisierung" bezeichnete Aktion wurde seinerzeit durch die Inhaftierung eines der Akteure jäh vereitelt.

Wolfram Hasch

 


Tipp: Berliner Mauerkunst. Eine Dokumentation von Ralf Gründer. Böhlau-Verlag, Köln/Weimar/Wien 2007. 34,90 Euro. Buchvorstellung am 12. April um 19.30 Uhrim Casino, Stresemannstraße 11, Kreuzberg