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E. Installation und späterer Abbau von Erdminen und Selbstschussanlagen (Splittermine SM-70)

I. Ausbau der Grenzsperren an der innerdeutschen Grenze bis einschließlich 1978

Nach Abriegelung der Westsektoren Berlins vom Ostsektor und dem Umland am 13. August 1961 beschloss die politische und militärische Führung der ehemaligen DDR spätestens im Herbst 1961 die verstärkte Errichtung von Minensperren an der innerdeutschen Grenze.

Entsprechend hieß es in dem Befehl Nr. 85/61 des Ministers für Nationale Verteidigung vom 19. Oktober 1961, der Maßnahmen zur Verstärkung der Grenzsicherung zum Gegenstand hatte, unter anderem:

„1. Die Sicherung der Staatsgrenze der DDR zu Westdeutschland ist durch die Anlage pioniermäßiger Sperren entsprechend dem „Plan der Pioniersperren“ ... zu verstärken.

Beginn der Pionierarbeiten entlang der Staatsgrenze: 25. Oktober 1961

Abschluss der Arbeiten und Bereitschaft des Sperrsystems: 30. November 1961

2. - 7. pp.“

Ausweislich des Abschlussberichtes des Chefs des Hauptstabes an den Minister für Nationale Verteidigung über die Erfüllung der vorbezeichneten Vorgaben wurden in der 1. Etappe in der Zeit vom 25.10. bis zum 30.11.1961 errichtet:

179,95 km kombinierte Sperre, davon 73,76 km mit Minen POMS (4526 Stück);

65,83 km Drahtsperren

gesamt 245,78 km = 17 % der Länge der Staatsgrenze“.

Bei der vorbezeichneten Mine POMS handelte es sich in der Ausführung POMS-2 um eine Splittermine sowjetischer Konstruktion und Fertigung, die - zwecks Tarnung mit grüner Farbe behandelt - mittels eines Holzpflocks wenige Zentimeter über der Erdoberfläche installiert wurde und durch einen Spanndraht (Stolperdraht auszulösen war. Bei einer Rundumwirkung des detonierten Sprengstoffes von 25 - 30 m betrug der tödliche Wirkungsradius 8 - 10 m.

Gemäß der Anordnung Nr. 36/62 des Ministers für Nationale Verteidigung vom 30. Juli 1962 war in den entsprechend festgelegten Minensperrabschnitten darüber hinaus die Schützenmine vom Typ PMD-6 zu verlegen, die als Holzkastenmine mit beweglichem Deckel und einem eingelegten 200-g-TNT-Körper durch Auftreten auf den Deckel zur Auslösung gebracht und eine „Verletzung der unteren und mittleren Körperteile“ verursachen sollte.

In der Folgezeit erfolgte die Verlegung weiterer Minen auf der Grundlage der Befehle Nr. 10/62 vom 15. Dezember 1962 und Nr. 15/63 vom 7. März 1963 des Ministers für Nationale Verteidigung.

Nach Abschluss der 4. Etappe der Minenverlegung im Herbst 1963 war die 1382 km lange Staatsgrenze der DDR zu Westdeutschland fast durchgehend pioniertechnisch gesperrt:

774 km = 56,0 % mit Minensperren
407 km = 29,5 % mit Drahtsperren
153 km = 11,0 % mit S-Rollen-Sperren (Stacheldrahtsperren)
Gesamt 1334 km = 96,5 %

Ausweislich der von dem Kommando der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee am B. März 1965 verfassten, nicht unterschriebenen Konzeption zum Thema „Perspektivplanung zur Verbesserung des pionier- und signaltechnischen Ausbaus der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu Westdeutschland in den Jahren 1966 bis 1975“ waren im Frühjahr 1965 an der innerdeutschen Grenze 395,3 km Drahtsperren, 115,4 km S-Rollen-Sperren, 777,9 km Minensperren - davon POMS 65,41 km und PMD-6 319,44 km - angelegt. Darüber hinaus war im Zusammenhang mit dem pioniertechnischen Ausbau Sicht- und Schussfeld geschaffen und die Grenzsicherung hinter den Sperranlagen organisiert worden.

Am 1. Februar 1967 trat die vom Chef der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee erlassene Dienstvorschrift DV-15/11 - Minensperren der Grenztruppen – in Kraft. Darin hieß es u.a., Minensperren zur Sicherung der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu Westdeutschland hätten unter den zur Grenzsicherung geschaffenen Anlagen die größte Wirkung auf Grenzverletzer.

Zweckmäßig angelegte Minensperren mit hoher Dichte behinderten die Bewegung der Grenzverletzer und führten zu ihrer Festnahme bzw. Vernichtung.

Als im Verlauf des Jahres 1969 im Ministerium für Nationale Verteidigung die Verstärkung der Grenzsicherung durch das Anbringen von Splitterminen (SM-70) erörtert wurde, waren an der innerdeutschen Grenze in einer Länge von über 650 km Minensperren angebracht. Dabei handelte es sich um Minen des Typs PMD 6, PMN und POMS.

Entsprechend den Vorgaben des Ministeriums für Nationale Verteidigung wurde ab 1971 aufgrund der Anordnung Nr. 6/71 des Chefs Pionierwesen der Grenztruppen vom 7.7.1971 die innerdeutsche Grenze systematisch mit der Splittermine SM-70 aus gerüstet.

Bei der Splittermine SM-70 (spätere Bezeichnung des Sperranlagesystems insgesamt: 501 bzw. 701) handelte es sich um eine in der DDR als Weiterentwicklung eines ursprünglich in der CSSR produzierten Systems gefertigte Splittermine. Sie bestand aus einem metallenen Schusstrichter, gefüllt mit 110 g TNT, versehen mit einer Schicht eingegossener Metallsplitter, die durch Auslösen entsprechender Kontakte zur Detonation führen und als Streugeschosse wirken sollten. Die Wirkungsweite sollte ca. 20 m betragen und in unmittelbarer Nähe tödlich sein.

Im Hinblick auf die erhebliche Streuwirkung der SM-70 sollten die Minen bei Richtungsveränderungen im Sperrenverlauf so angebracht werden, dass bei einer Detonation keine Splitter die Staatsgrenze in Richtung Westdeutschland überfliegen bzw. auf dem Territorium der DDR Angehörige der Grenztruppen bei ihrer Dienstdurchführung verletzen konnten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die folgenden Schaublätter Bezug genommen.

In der im November 1971 vorgelegten Kollegiumsvorlage Nr. 23/71 des Ministers für Nationale Verteidigung, eingereicht und unterzeichnet vom damaligen Chef der Grenztruppen Generalleutnant Peter wird zur Wirkungsweise der SM-70 folgendes ausgeführt:

„Mit der Sperranlage SM-70 kann in wirksamer Weise den Forderungen der Grenzsicherung nach einer qualitativ hochstehenden technischen Sicherstellung der Handlungen der Einheiten zur Gewährleistung der Sicherheit der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik entsprochen werden.

Die SM-70 ist eine Mine mit richtungsgebundener Wirkung unter Teilausnutzung des kumulativen Effektes.

...

Nach erfolgter Detonation breitet sich eine kegelförmige Splittersäule aus, deren Mittelachse richtungsgleich zu der vor der Detonation bestehenden Körperachse der Mine verläuft.

Die kinetische Energie der Splitter reicht aus, um mit Sicherheit Personen unschädlich zu machen, die versuchen, den Sperrbereich der SM-70 zu durchbrechen.

Seit Juni 1971 wurden 10 km Grenzabschnitt in einer Hauptrichtung der Bewegung der Grenzverletzer nördlich Salzwedel durch zwei Anlageneinheiten SM-70 gesperrt. Im Verlauf der Truppenerprobung hat sich der mit SM-70 ausgebaute Sperrzaun als wirksame Grenzsicherungsanlage erwiesen.

...

Die Splitterwirkung der durch Wild ausgelösten Minen bestätigt die Aussage, dass Personen, die versuchen, die Sperre zu durchbrechen, tödliche beziehungsweise so schwere Schädigungen erhalten, dass sie nicht in der Lage sind, die Staatsgrenze zu verletzen.

...

Bei einer Gegenüberstellung der Anlagen SM-70 mit Minensperren des Typs 66 stellen sich folgende Vorteile heraus:

Die zuverlässige Sperrwirkung.

Ohne Hilfsmittel und genaue Kenntnis der Funktionsweise ist die Sperre nicht zu überwinden;

Der geringe Kostenaufwand.

5 km Sperrenlänge SM-70 kosten ca. 660.000 Mark, die Minensperre Typ 66 jedoch ca. 970.000 Mark;

Die Möglichkeit, entsprechend der politischen Situation mit den Sperreigenschaften der Anlagen zu variieren, indem scharfe Minen gegen Signal-, Rauchladung und ähnliches kurzfristig ausgetauscht werden können.

Mithin hat sich die SM-70 in der Truppenerprobung bewährt. Sie stellt das gegenwärtig wirksamste Element des technischen Ausbaus der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland dar und ist zum Sperren der Abschnitte geeignet, die durch die Grenzverletzerbewegung am stärksten gefährdet sind.“

Der Kollegiumsvorlage beigefügt waren vier Blatt Anlagen, die schematisch die Anbringung und Wirkungsweise der Splittermine SM-70 darstellen. Ablichtungen dieser vier Schaubilder werden nachfolgend zur Verdeutlichung beigefügt.

 


Schwurgerichtsanklage bei dem Kammergericht, 2 Js 15/92, Seite 143 - 157