Präsident Dr. Ehlers:
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung im Rahmen der Ihnen vom Ältestenrat vorgeschlagenen Gesamtredezeit von 4 Stunden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete
Dr. Schumacher Dr. Schumacher (SPD):
Meine Damen und Herren!
Die Frage der deutschen Einheit
... ist für unser Volk ein zentrales Problem. Sie ist aber auch eine bedeutsame Frage für die Erhaltung der Freiheit in der Welt. Alle europäischen Probleme und Projekte werden nicht europäisch behandelt, wenn man aus der Teilung Deutschlands Nutzen ziehen will. Die Kosten für eine solche Politik zahlt nicht Deutschland allein, die Kosten zahlt die Sache der Freiheit in der ganzen Welt.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)
Jede Betrachtungsweise hat von der Tatsache auszugehen, daß es Sowjetrussland gewesen ist, das seine Zone separiert und isoliert hat.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)
Das ganze Kampfgeschrei der Kommunisten und ihrer Anhänger für die Einheit, wie sie sie verstehen, wäre völlig unnötig, wenn sich die kommunistische Praxis der Teilung Deutschlands dem angeblichen kommunistischen Wunsche, der Einigung Deutschlands untergeordnet hätte.
(Lebhafte Zustimmung.)
Die Stärke der totalitären Position beruht weitgehend auf der Unkenntnis und der Unklarheit über das Wesen des Totalitarismus bei den westlichen Demokratien und erst recht bei großen Teilen des deutschen Volkes.
(Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)
Die Uneinheitlichkeit und Unentschlossenheit der westlichen Demokratien in ihrer Deutschlandpolitik, die vielen Vorbehalte und Unklarheiten in der Behandlung und der Zusammenarbeit mit den Deutschen schwächen die Front der Freiheit, nehmen ihr die Geschlossenheit und bedrohen ihre letzte Gemeinsamkeit.
(Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)
Wir haben einen Gegner, dessen Einheit und Konzentration seiner politischen Kräfte zentral dirigiert wird. Die deutsche Frage kann nicht für sich allein betrachtet werden; sie kann aber auch nicht vom Westen her mit Deutschland als Objekt gelöst werden.
(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)
Wenn wir auf der Viererkonferenz nicht am Tisch sitzen, so gibt es doch in der Sache nur die eine große Möglichkeit: man darf nicht über Deutschland beraten, man muß letzten Endes mit Deutschland beraten.
(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)
Es dient der Sache der Demokratie nicht, wenn man in einer Hauptstadt der westlichen Welt kürzlich lesen konnte, die Aussichten für das Gelingen der Viererkonferenz würden davon abhängen, daß Westdeutschland ausgeschaltet bliebe.
(Hört! Hört! bei der SPD.)
Nein, das ist der falsche Weg! Auch das Mittel der gelegentlichen Information und Konsultation würde nicht genügen. Die Information der deutschen Politik vor, während und nach der Viererkonferenz bei der Behandlung des ganzen Komplexes muß permanent und vollständig sein. Die Deutschen sollten auch wirklich befragt werden, sie sollten auch wirklich die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu äußern. Es liegt im Interesse einer großen gemeinsamen Sache, daß die Erkenntnisse und aktiven demokratischen Kräfte unseres Volkes mobilisiert werden.
(Sehr richtig! bei der SPD.)
Letzten Endes gibt es keinen Erfolg der kommenden Viererkonferenz, wenn nicht das Ergebnis der Beratungen vom deutschen Volk bejaht und darum als verbindlich angesehen wird.
(Sehr gut! bei der SPD.)
Man hat in einem Teil der westlichen Presse sehr leichtfertig empfohlen, die deutsche Einheit nach dem österreichischen Vorbild zu organisieren. Man übersieht dabei, daß der Prozeß und die Methoden, die in Österreich 1945 begannen, etwas grundsätzlich Verschiedenes und Unvergleichbares sind, wenn sie auf das Deutschland von 1951 angewandt werden.
(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)
Hier in Deutschland sind in sechs Jahren durch die sowjetischen Besatzungsmethoden tatsächlich Machtpositionen des Kommunismus geschaffen worden. Angesichts dieser Tatsache wäre die Übertragung des österreichischen Beispiels die Auslieferung Deutschlands an den Kommunismus mit Privilegierung der kommunistischen Chancen.
(Zustimmung bei der SPD.)
Das deutsche Volk kann weder diesem noch einem anderen Vorschlag zustimmen, der zur Viermächtekontrolle oder gar zur Viermächtekontrolle' mit Vetorecht führt.
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